Auf dieser Seite finden sich Beispiele aus Therapiesitzungen mit Jugendlichen, in denen die Jugendlichen zu inneren Themen Sichtbares gestaltet haben. Alle hier vorgestellten Werke helfen, sich psychische Inhalte bewusst zu machen, zu verdeutlichen, zu strukturieren oder zu klären. Gerade das Sichtbarmachen ermöglicht immer wieder einen nächsten Schritt heraus aus einer vermeintlichen Sackgasse. Manche Klient*innen kommen mit nonverbalen Ausdrucksformen sehr gut zurecht, andere weniger. Deshalb ist wichtig, dass die Nutzung eines kreativen Mittels freiwillig für die Klient*innen ist.
Alle Werke sind mit Einverständnis der Klient*innen und anonymisiert vorgestellt.
„Kunst gibt nicht
das Sichtbare wieder,
sondern macht sichtbar.“
Paul Klee
Die „Farben meiner Seele“ stehen oft am Anfang einer Therapie und führen hin zu einem Seelenbild, zu einer Idee über das Wesen der eigenen Seele im Moment der Bildgestaltung.
Manchmal bringe ich also – wie bei den "Farben meiner Seele" – ein Thema ein, wenn ich denke, dass es zum Therapieprozess passt. Zum Beispiel schlage ich „Ich gehe über eine Brücke“ als Malthema vor, wenn sich bei einer Person gerade einiges im Leben ändert (Schulabschluss, Berufseinstieg, neuer Freund etc.).
Oft ist es hilfreich, einem Gefühl, einem körperlichen Schmerz, einer Stimmung u. ä. zeichnerisch Ausdruck zu verleihen. Dadurch wird einem natürlichen Impuls der Seele gefolgt, der künstlerische Ausdruck kann erleichtern und oft wird dadurch tiefer Liegendes verstehbar.
Sella, 18 Jahre, malt hier ihr aktuelles Lebensgefühl: Sie sei der Stein, auf dem alle herumhacken. Und unter dem Tisch brennt als Feuer ihre Mutter, mit der sie ein schwieriges Verhältnis hat.
Die eigenen psychosomatischen Beschwerden zu malen verhilft zu Distanz zu diesen Schmerzen, was für den Moment erleichtern kann. Verblüffend, wie sich hier die Bilder der Bauchschmerzen von Vanessa und der Hauterkrankung von Anja ähneln, die sich nicht kennen und ihre Bilder völlig unabhängig voneinander in Einzelsitzungen gemalt haben.
Das Malen ganzer Serien ergibt sich in der Regel aus dem therapeutischen Prozess und kann – wie in der Serie von Vera – eine Entwicklung darstellen oder auch – wie im Beispiel von Sheila – innere emotionale Prozesse aufzeigen. Es ist eine sehr individuelle Form, kann im therapeutischen Raum gemalt oder auch Zuhause fortgesetzt werden.
In Bild 1 malt Sheila (19 Jahre), die oft Aggressivität in sich erlebt, einen „Wutball“, der den verletzlichen Kern der Sehnsucht schützt und gleichzeitig alle anderen abstößt. Ich fordere sie auf, den Gegenpol davon zu malen, woraufhin …
„Das ruhige Gewässer“ (Bild 2) entsteht, das sich für sie wie Nichts, Leere anfühlt und die Freude ausschließt. Ich frage sie nach einem Übergang von der Aggression zur Ruhe, woraus der …
„Emotionswandel“ (Bild 3) entsteht: Aus der Wut (rot) wird Trauer (schwarz) und schließlich Ruhe und Nichts (blau), eine innere Leere, die sie nur schwer aushalten kann.
"Und in der Tat können wir nicht anders,
als durch unsere Gemälde zu sprechen."
Vincent van Gogh
Vera (18 Jahre), die sehr gerne und sehr kunstvoll zeichnet, beschreibt hier über einen längeren Zeitraum das innere Erleben ihrer Depression:
Bild 1 nennt sie den „schwangeren Bauch“: Das Schwarze ist „das, was mich hält“, auch hält in ihrer Eingeschlossenheit. Durch das Schwarze bleibt sie getrennt von anderen und getrennt von ihrer eigenen Lebendigkeit. Ich gebe ihr als Aufgabe, ein integratives Bild zu malen, also zeichnerisch eine Verbindung zu schaffen zwischen dem Schwarzen und dem Bunten.
In Bild 2 („Embryo“) öffnet sich das Schwarze und hält das Starke, Lebendige. Als das Schwarze sieht sie ihre Gedanken (Kopf), als das Farbige ihre Gefühle (Seele/Bauch). Auf die neue Aufgabe von mir, ein Bild vor dem getrennten Zustand zu malen, sagt Vera spontan „Ich male dann also ein Bild über meine Kindheit.“
Bild 3 stellt für sie ihre Kindheit bis zum Alter von ca. 10 Jahren dar. Bild 1 ist ihr Zustand im Alter von 16/17 Jahren und Bild 2 die Veränderung seit Therapiebeginn vor einem Jahr. Nun empfindet sie den „schwangeren Bauch“ auch als eine „Außenansicht“, den „Embryo“ als Innenansicht, die sich ihr bietet, wenn sie „ganz reingeht“ in das Gefühl der Einsamkeit: „Dann öffnet sich was.“ Ihre neue Aufgabe ist ein Bild der „Jugendzeit“ zu malen, woraufhin sie zwei Bilder mitbringt.
Bild 4 macht ihr Angst: Nachdem das Bild der Kindheit eine Ganzheit darstellt, sprengt es nun in der Pubertät „alles auseinander“.
In Bild 5 verdichtet sich das schwarze, ihre negativen Gedanken, immer mehr. Das Gelbe, ihre positive Sichtweise, wird abgestoßen, getrennt.
So liegt uns nun eine Bilderserie vor:
In Bild 3 sehen wir die Ganzheit in Veras Kindheit: Bunte und dunkle Farben sind weitestgehend integriert.
Bild 4 zeigt die „sprengende Kraft“ der Pubertät.
In Bild 5 sehen wir, dass es Vera nicht gelingt, wieder ein ganzheitliches Erleben herzustellen, sie trennt Kopf und Bauch, …
was in Bild 1 zur Depression führt, weswegen sie im Alter von 17 Jahren eine Therapie beginnt.
Bild 2 schließlich zeigt den Weg in die Öffnung auf, der in der Therapie begonnen hat.
Goethes „Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust“ gibt zu verstehen, dass es zu einem Thema verschiedene, sich widersprechende Wünsche geben kann. Die Psychologie spricht hier von inneren Teilen, von Selbst-Anteilen oder von Ich-Zuständen. In der Inneren-Teile-Arbeit lernt der/die Klient*in an einem beispielhaften Thema bedeutsame innere Anteile kennen, verleiht ihnen eine Stimme, manchmal ein Alter, ein Geschlecht usw. Im Falle von Konflikten wird auf diese „Seelenlandschaft“ zurückgegriffen und z. B. geschaut, welche Teile miteinander kooperieren bzw. gegeneinander arbeiten oder auch welche Anteile für eine Konfliktlösung hilfreich sind bzw. diese blockieren.
In den hier vorgestellten Beispielen seht Ihr / sehen Sie die Darstellungen „innerer Seelenlandschaften“, die uns oft während des gesamten Therapieprozesses begleiten.
Körperbilder setze ich gerne ein, wenn Klient*innen keinen selbstverständlichen Bezug zu ihrem Körpererleben haben. In die Körperumrisse zeichnen die Klient*innen Schmerzen und Gefühle ein. Dies verdeutlicht z. B. den Zusammenhang zwischen Gefühlen und dem Körper. Ich lade auch ein, die Körperstellen zu kennzeichen, die man mag bzw. ablehnt. Oft entstehen sehr farbenfrohe Bilder, die sehr schön die Lebendigkeit der Klient*innen sichtbar machen.
Die „Lebenslinien“ sind eine Art Biografiearbeit: Mit Seilen wird das bisherige Leben oder ein Ausschnitt davon als Weg auf den Boden gelegt. Gegenstände oder beschriebene Zettel symbolisieren wichtige Ereignisse. Dabei tritt oft „Vergessenes“ zutage, Zusammenhänge werden reflektiert, Austausch findet statt.
Mira, 16, legt mit Hilfe eines Seils, mit Symbolen und Zetteln in der Rückschau ihren schwierigen Schulweg, wobei im Bildvordergrund das Ende, nämlich ihr Abschluss und ihre bevorstehende Ausbildung liegen. Sie ist stolz, das durchgehalten und geschafft zu haben – die Vergegenwärtigung ihres Schulweges gibt ihr Stärke.
Sich selbst kennen und verstehen zu lernen, mit sich selbst einfühlsam umgehen lernen ist entsprechend meines Konzeptes der Selbst-Stärkung ein wichtiger Aspekt meiner therapeutischen Arbeit. Hierfür vermittle ich den Klient*innen mitunter auch ein Selbstempathieschema, das ihnen hilft, ihre Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen. Dieses Schema verwenden Klient*innen oft auch außerhalb der Therapiesitzungen Zuhause.
Wie bei den Bildern geht es beim Gestalten von Skulpturen mit Ton um Sichtbarmachung und Ausdruck eines psychischen Inhaltes. Dies kann das eigene Körperbild sein, das mit Ton nach einer Körperreise gestaltet wird. Oder auch ein Beziehungsgeschehen, eine Stimmung, ein undefinierbares Gefühl …
Anne (18) erlebt bei einer Körperreise ihren Körper als Schale, die mit Gutem oder Schlechtem gefüllt werden kann. Dies sieht sie nach der Gestaltung ihrer Schale zum ersten Mal so und hat den Wunsch, die Schale farbig zu gestalten.
Luisa (16) gestaltet mit der ersten Skulptur (oben links) ihr Körpererleben. Beim Betrachten sagt sie, dass dieser Quader gut für ihre Stärke und Stabilität steht, entdeckt jedoch, dass ihre Verletzlichkeit (oben rechts) damit nicht ausgedrückt ist und verändert die Skulptur, in die nun ihre Verletzlichkeit integriert ist (unten rechts). Ihre Verletzlichkeit fällt ihr besonders in der Beziehung zum Vater auf, und sie formt eine Beziehungsskulptur (unten links).
Diese Skulptur wird von Ramona (18) so kommentiert: „Ich würde am liebsten verschwinden. Ich will nicht in meinem Körper sein und wäre so gerne leicht. Dann würde ich wegfliegen.“ Sie gestaltet einen Vogel, in dem sie selbst sitzt, weil „ich selbst für mich sorgen kann“.
Es gibt noch viele weitere Methoden und Hilfsmittel, die ich einsetze, um einen Zugang zu finden zu einer inneren Stimmung, um sich selbst besser kennen zu lernen, um etwas auszudrücken oder einen neuen Blick zu finden. Hier seht Ihr / sehen Sie das ein oder andere Beispiel dafür.
Xara (24) hat mit Hilfe eines focusing-Prozesses in einer Verzweiflung Ruhe gefunden und kann sie für einige Minuten genießen.
Sarah (19) notiert sich, was sie zuvor zu ihrem Thema „Wut – sich reinsteigern“ mit Hilfe einer Imagination entwickelt hat: Ihre Wut gleicht einem „Flummi“, der im Raum umher hüpft und immer wieder Gegenstände trifft, die ihn größer werden lassen. Die Gegenstände stehen symbolisch für Aufreger-Themen, wie etwa ein Plüschherz, das für ihren Freund steht, über den sie sich hin und wieder sehr ärgert.
Anne (18) betrachtet in Bild 1, welche Empfindungen sie zunächst in einem focusing-Prozess gefunden und in eine Beziehung zueinander gebracht hat.
Ihr wichtigster Wunsch ist, sich ausgeglichener zu fühlen. Das Gefühl gestaltet sie als Bild (Bild 2).
„Wenn wir das, was in uns liegt,
nach außen in die Welt tragen,
geschehen Wunder“
Henry Stanley Haskins